Baurechtliche Texte

 

Rechtsanwalt

Dipl.-Ing. Horst Fabisch (Bauingenieur)

Lehrte/Hannover

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www.fabisch-rechtsanwalt.de

 

 

Text 01/2022

Die Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die Abwicklung von Bauverträgen

 

Die Ausgangslage

 

Zwischen zwei Parteien ist ein Bauvertrag geschlossen. Nach Vertragsschluss haben sich aufgrund des Ukraine-Krieges die Material- und Energiepreise erheblich, ohne dass dies für die Parteien vorher erkennbar war, erhöht. Preisgleichklauseln oder ähnliche Regelungen sind im Vertrag nicht getroffen.

 

Rechtliche Einordnung

 

Wenn es zwischen den Vertragsparteien keine das Problem behandelnde vertragliche Regelung gibt, könnte bei unerwarteten erheblichen Materialpreissteigerungen eine Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB gegeben sein.

 

Zu beachten ist dabei, dass eine Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB nur dann zur Anwendung kommt, wenn Umstände vorliegen, die nach den vertraglichen Vereinbarungen nicht in den Risikobereich einer der Parteien fallen. Eine solche vertragliche Risikoverteilung bzw. Risikoübernahme, sei sie ausdrücklich, konkludent oder aufgrund ergänzender Vertragsauslegung, schließt eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage aus (BGH, 21.09.2005 - XII ZR 66/03; OLG Celle, 26.11.2019 ‑ 13 U 127/08).

 

Allein aus einer etwaigen Existenzgefährdung einer Partei ergibt sich ebenfalls kein Wegfall der Geschäftsgrundlage. Mit der Enttäuschung über nicht eingetretene, geplante Gewinne verwirklicht sich in der Regel nur das eigene unternehmerische Risiko (OLG Celle, 26.11.2019 ‑ 13 U 127/18).

 

 

 

Anspruchsvoraussetzungen

 

Nach den dargestellten Grundsätzen ist ein Berufen auf § 313 BGB nur möglich, wenn keine der Parteien bei Vertragsschluss das Risiko von Baustoffpreissteigerungen aufgrund der unvorhersehbaren Ereignisse, die der höheren Gewalt gleichzustellen sind, nicht bekannt waren oder nicht bekannt sein konnten.

 

Eine Anpassung des Vertrages an ein erhöhtes Preisniveau kann nur verlangt werden, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind – hier die den kalkulierten Preise zugrunde liegenden Stoffkosten ‑ nach Vertragsschluss sehr schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag so nicht geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderungen vorausgesehen hätten. Zumindest muss für eine der Parteien unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles das Festhalten an einem unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden können. Zu beachten ist aber, dass in der Regel das Risiko für die Steigerung von Baustoffpreisen beim Auftragsnehmer liegt. Wenn jedoch die sogenannte „Opfergrenze“ überschritten wird, also die Preissteigerung weit über die Grenzen des von ihm übernommenen typischerweise vorgesehenen Risikos hinausgeht, dann kommt eine Vertragsanpassung in Betracht. Wesentlich ist dabei, dass die relevanten Umstände außerhalb des Einfluss- bzw. Risikobereiches des Auftragnehmers liegen. Dabei ist nicht allein ein grundsätzlich zugunsten einer Vertragsanpassung in Betracht kommender Anlass (etwa Krieg oder Kriegsfolgen) zu berücksichtigen. Eine Anpassung auf Basis einer Störung der Geschäftsgrundlage kann dann ausgeschlossen sein, wenn der sich der Auftragnehmer trotz entsprechender Möglichkeiten und Vorhersehbarkeit nicht hinreichend abgesichert hat, etwa durch angemessene Bevorratung der jeweiligen Rohstoffe.

 

Es bleibt immer eine Einzelfrage, ob dem Auftragnehmer in Anbetracht der strengen Anforderungen an § 313 BGB ein Festhalten des Vertrages nicht zugemutet werden kann. Erfolg wird ein Preisanpassungsverlangen oder eine Lösung vom Vertrag vermutlich nur haben können, wenn das Festhalten an dem Vertrag eine akute Existenzgefährdung bedeuten würde.

 

Der Auftragnehmer wird darlegen müssen, dass das Ausbleiben der Gewinne aus einem Auftrag zuzüglich der wegen der Preissteigerung zu erwartenden Verluste von seinem Betrieb nicht aufgefangen und auch nicht finanziert werden können. Ein Anhaltspunkt kann sein, dass im Falle des Festhaltens am Vertrag eine Insolvenzantragspflicht besteht, die auf diese Umstände zurückzuführen ist.

 

Es ist demnach erforderlich, auch die betriebswirtschaftliche und kreditmäßige Situation zu berücksichtigen.

 

Von Bedeutung ist auch die Größe eines Auftrages zum üblichen Jahresumsatz. Kleinere Aufträge mit bis zu 2 % Jahresumsatz können jeder für sich genommen sicherlich nicht zu einer Existenzgefährdung führen, mehrere aber schon. Bei größeren Aufträgen über 10 % eines Jahresumsatzes könnte aber die Opfergrenze schon bei einem Vertrag überschritten sein. Entscheidend sind immer die Einzelfallbetrachtung und die Gestaltung der betreffenden Vertragsverhältnisse.

 

Ergebnis

 

Aufgrund der sehr restriktiven Handhabung des § 313 BGB ist es regelmäßig sehr schwierig, eine Störung der Geschäftsgrundlage zu begründen. Wegen der als äußerst überraschenden und komplexen Entwicklungen und der gravierenden Auswirkungen auf die Rohstoff- und Energiesituation durch den Ukraine-Krieg sollte dies aber möglich sein.

 

Besteht ein Anspruch, so ist dieser zunächst auf eine Preisanpassung gerichtet; bei einem VOB/B-Vertrag auch schon wegen § 2 Abs. 7 VOB/B. Es geht dabei um die Herstellung eines gewissen Gleichgewichtes von Leistung und Gegenleistung. Da typischerweise das Kostenrisiko beim Auftragnehmer liegt, wird dies regelmäßig auf eine Preisanhebung hinauslaufen. § 313 BGB wird aber dahin gehend ausgelegt, dass die Preisanpassung nicht zu einer vollständigen Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung führen kann. Diese wird nur insoweit zugestanden, wie dies zur Befreiung des Existenzrisikos erforderlich ist.

 

Über die Anpassung des Preises haben die Parteien zunächst zu verhandeln. Erst, wenn es zu keiner Einigung kommt und die Fortsetzung des Vertrages für einen Vertragspartner unzumutbar ist, kann der Vertrag aufgelöst werden. Dazu bedarf es einer ausdrücklichen Auflösungserklärung.

 

Zusammenfassung

 

  • Das Verlangen einer Preisanpassung wegen der Auswirkungen des Ukraine-Krieges ist im Einzelfall zwar schwierig, aber möglich.

 

  • Voraussetzung ist ein Vertragsschluss in einer Zeit vor Kriegsbeginn, spätestens bis ca. März 2022. Waren bei Vertragsschluss die damit verbundenen preislichen Unsicherheiten erkennbar, kann eine Anpassung nicht mehr erfolgen.

 

  • Es muss eine Existenzgefährdung gegeben sein.

 

  • Der Anspruch ist vorrangig auf eine Preisanpassung gerichtet.

 

  • Die Preisanpassung deckt nicht das gesamte Risiko ab, sondern nur das Existenzgefährdungsrisiko.

 

  • Über die Preisanpassung ist unter Vorlegung einer neuen Kalkulation zu verhandeln.

 

  • Erst, wenn es zu keiner Einigung kommt, kann der Vertrag nach § 313 Abs. 3 BGB aufgelöst werden.

 

Lehrte, den 25.10.2022

 

 

 

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