Dipl.-Ing. (Bau) Horst Fabisch
Text 03/2020: Uneinigkeit zwischen dem V. und dem VII. Zivilsenat des BGH
Der VII. Zivilsenat des BGH hat bekanntlich mit seiner Entscheidung vom 22.02.2018 ‑ VII ZR 46/17 ‑ seine Rechtsauffassung zum Schadensersatz bei Baumängeln die nicht beseitigt werden, geändert. In diesem Fall richtet sich der Schaden nicht nach den zu erwartenden Mängelbeseitigungskosten, sondern nach dem damit verbundenen Minderwert.
Der V. Zivilsenat ist insoweit offensichtlich anderer Rechtsauffassung. Er hat deswegen an den VII. Zivilsenat folgende konkrete Angabe gerichtet:
An den VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wird gemäß § 132 Abs. 3 GVG folgende Anfrage gerichtet:
1. Wird an der in dem Urteil vom 22. Februar 2018 (VII ZR 46/17, BGHZ 218, 1 Rn. 31 ff.) vertretenen Rechtsauffassung festgehalten, wonach der „kleine“ Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§
280, 281 Abs. 1 BGB nicht anhand der voraussichtlich erforderlichen, aber (noch) nicht aufgewendeten („fiktiven“) Mängelbeseitigungskosten bemessen werden darf?(Rn.9)
2. Wird ferner daran festgehalten, dass sich ein Schadensersatzanspruch des allgemeinen Leistungsstörungsrechts auf Vorfinanzierung „in Form der vorherigen Zahlung eines zweckgebundenen und
abzurechnenden Betrags“ richten kann (Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17, BGHZ 218, 1 Rn. 67)?
Der V. Zivilsenat begründet seine Auffassung mit folgenden Kernsätzen:
1. Es ist nicht erkennbar, dass aus § 634 BGB ein eigenes (also von § 437 BGB ggf. abweichendes) Regelungskonzept entnommen werden kann, wonach sich der Ausgleich daran orientiert, ob eine Mängelbeseitigung durchgeführt wird. Denn § 437 BGB und der dieser Bestimmung nachgebildete § 634 BGB zählen im Sinne erläuternder "Servicenormen" die bestehenden Mängelrechte auf, indem sie jeweils auf das allgemeine (für alle Vertragstypen einheitliche) Leistungsstörungsrecht verweisen. Der Gleichlauf zwischen Kauf- und Werksvertragsrecht war erklärtes Ziel der Schuldrechtsreform, weshalb § 634BGB in Nachbildung von § 437 BGB entstanden ist. Mit der Einführung des Anspruchs auf eine mangelfreie Sache sowie des hieran anknüpfenden Nacherfüllungsanspruchs(§ 437 Nr.1, § 439, § 281 Abs.1 BGB) ist einerseits das Kauf- dem Werkvertragsrechtstark angenähert und andererseits die Haftung des Werkunternehmers für Mängel des Werks an die neue kaufrechtliche Sachmängelhaftung angepasst worden.
2. Zu den Kernzielen der Schuldrechtsreform gehörte die Schaffung eines Leistungsstörungsrechts für sämtliche Vertragstypen mit dem einheitlichen Haftungstatbestand der "Pflichtverletzung" in den §§280 ff. BGB. Das zweite "wesentliche Strukturmerkmal" ist der durch das Erfordernis der Fristsetzung gesicherte Vorrang des Erfüllungsanspruchs. Sachmängel sollen vorrangig durch Nacherfüllung behoben und nur zweitrangig durch Rücktritt, Minderung oder Schadensersatz ausgeglichen werden. Zugleich ist die Haftung des Verkäufers durch die Einführung einer allgemeinen Schadensersatzpflicht auch für unmittelbare Mangelschäden gezielt verschärft worden. Die Nacherfüllung kann der Verkäufer nur dann verweigern, wenn sie mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist. Auf diese Weise sollten die vertraglich vereinbarten Leistungspflichten möglichst durchsetzbar gemacht werden.
3. Das Ziel, dem Käufer mittels Einführung eines vorrangigen Nacherfüllungsanspruchs zu der versprochenen Leistung zu verhelfen und die Verkäuferhaftung zu verschärfen, würde durch die Übernahme der neuen Rechtsprechung des VII. Zivilsenats konterkariert. Denn für den Verkäufer entstünden Anreize, die Nacherfüllung nicht vorzunehmen, wenn der erst nach verweigerter oder fehlgeschlagener Nacherfüllung und nur bei einem Vertretenmüssen gewährte Anspruch auf kleinen Schadensersatz auf den mangel-bedingten Minderwert oder auf tatsächlich aufgewendete Kosten beschränkt wäre. Erkönnte darauf hoffen, sich bei einem Verlangen nach Schadensersatz finanziell besser zu stehen, als wenn er seiner Nacherfüllungspflicht entspricht. Sieht nämlich der Käufer von der Nachbesserung ab, muss nur der - oft geringere - Minderwert ersetzt werden, ohne dass es wie bislang entscheidend darauf ankommt, ob die Herstellung der Mangelfreiheit unverhältnismäßige Aufwendungen erfordert. Damit bliebe außer Acht, dass der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung nach dem Konzept der Schuldrechtsreform den ausgebliebenen Erfüllungserfolg und nicht nur den Minderwert der Sache ausgleichen soll; durch die Ersatzfähigkeit der Mängelbeseitigungskosten unabhängig von deren Aufwendung wird der Vorrang des Erfüllungsanspruchs schadensrechtlich umgesetzt.
In absehbarer Zeit wird es also hoffentlich eine von beiden Senaten vertretene einheitliche Rechtsauffassung und Klarheit darüber geben, nach welchen Maßstäben zukünftig der Schaden für nicht beseitigte Mängel zu ermitteln ist.
Warum eine solche Erklärung durch den VII. Zivilsenat nicht schon vor seiner Entscheidung vom 22.02.2018 herbeigeführt worden ist, kann nicht nachvollzogen werden. Eine rechtssichere Rechtsprechung sieht anders aus.
Ich habe aber die Befürchtung, dass der VII Zivilsenat seine Rechtsauffassung nicht schon wieder ändern wird. Es ist also nicht auszuschließen, dass wir zukünftig mit unterschiedlichen Rechtssprechungen der Senate umgehen müssen.
Lehrte, den 09.06.2020