Baurechtliche Texte

 

Rechtsanwalt

Dipl.-Ing. (Bau) Horst Fabisch

Lehrte/Hannover

info@baurechtscentrum.de

www.fabisch-rechtsanwalt.de

 

Text 02/2020

 

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Baugeschehen

 

1. Einleitung

 

In der derzeitigen Corona-Krise stellt sich die Frage, welche Auswirkungen sich damit für den Bauablauf ergeben können. Probleme können sich durch Verzögerungen im Bauablauf ergeben. Verzögerungsgründe können u. a. krank gewordene Mitarbeiter, Materialknappheit sowie andere Beschaffungsschwierigkeiten sein. Sie können auch dadurch entstehen, dass behördliche Anweisungen oder Genehmigungen nicht erfolgen oder Materialprüfungen nicht durchgeführt werden können. Darunter sind auch das Ausfallen der Bauleitung, Architekten oder Statiker zu fassen.

 

Bei der Corona-Krise handelt es sich um ein Ereignis höherer Gewalt. Man versteht darunter im Allgemeinen ein auf den Baubetrieb einwirkendes außergewöhnliches und unvorhersehbares Ereignis. Zu beachten ist aber, dass bereits ein geringes eigenes Verschulden beim Auftreten eines außergewöhnlichen Ereignisses höhere Gewalt ausschließt. Bei der Krise handelt es sich um ein betriebsfremdes Ereignis, welches in keinem Zusammenhang mit der Bauausführung und den daraus resultierenden Gegebenheiten steht. Deswegen ist hier höhere Gewalt angezeigt.

 

Der Bauunternehmer oder Handwerker und die anderen Baubeteiligten müssen aber auch in dieser Situation alles Mögliche unternehmen, um ein eigenes Mitverschulden am Verzug auszuschließen.

 

2. Die drohenden Auswirkungen auf die Bauabwicklung

 

2.1 Behinderung der Ausführung

 

Den Auftragnehmer trifft grundsätzlich das Beschaffungsrisiko für die vereinbarten Baustoffe und notwendigen Materialien.

 

Ist dies aufgrund der derzeitigen objektiven unvorhersehbaren Situation nicht möglich, sollte der Auftragnehmer in jedem Fall eine Behinderung anzeigen.

 

Die Anzeige muss den Behinderungsfall konkret ausweisen. Es muss angegeben werden, welche Materialen nicht beschafft werden können, weil auch bei einer solchen Behinderungsanzeige den Auftragnehmer die Beweislast trifft. Zu allgemeine Angaben sind untauglich.

 

Der Auftragnehmer muss in der Folge auch prüfen, ab wann die Behinderung endet und dies dokumentieren.

 

Müssen Mitarbeiter aufgrund des Verdachts einer Corona-Erkrankung zuhause bleiben, liegt dies zunächst, wie in anderen Krankheitsfällen auch, im Risikobereich des Auftragnehmers.

 

Werden einzelne oder mehrere Mitarbeiter unter Quarantäne gestellt, muss der Auftragnehmer grundsätzlich versuchen, dies auszugleichen, im Zweifel durch Drittunternehmen.

 

Soweit die Theorie! In der Praxis dürfte das in der gegebenen Situation nicht möglich sein. Im Zweifel erfolgt die Isolierung der Mitarbeiter auf Basis des Seuchengesetzes und stellt damit eine behördliche Anordnung dar, der Folge zu leisten ist. Damit dürfte insoweit auch der Grund für eine Behinderungsanzeige gegeben sein. Das gilt insbesondere dann, wenn ein ganzer Betrieb unter Quarantäne gestellt wird.

 

2.2 Kostensteigerungen durch Preiserhöhungen

 

Grundsätzlich gilt: Der Auftragnehmer trägt das Preisrisiko. Etwas anderes kann nur bei nichtvorhersehbaren und erheblichen Preissteigerungen gelten, die von dem Auftragnehmerrisiko nicht erfasst sind.

 

Eine Vertragsanpassung kann dann verlangt werden, wenn und soweit es einer Vertragspartei nicht mehr zugemutet werden kann, an dem vereinbarten Preis festzuhalten (§ 313 Abs. 1 BGB). Das kann gegeben sein, wenn das Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung nachträglich   also abweichend von der Vorstellung der Parteien zum Zeitpunkt des Vertrages   so schwerwiegend gestört wird, dass ein Festhalten an den vereinbarten Preisen zu einem untragbaren Ergebnis führen würde.

 

Ob es zu einer solchen Preisentwicklung durch den Corona-Virus kommen wird, bleibt abzuwarten. Denkbar ist auch ein Fallen der Preise wegen mangelnder Nachfrage.

 

2.3 Verzug und Verzugsschaden

 

Durch eine begründete Behinderungsanzeige kommt es zu einer Verlängerung der Vertragsfristen. Die Fristen sind dann nicht mehr nach dem Kalender bestimmt, so dass der Auftragnehmer nur noch nach einer Mahnung in Verzug gerät.

 

Sinnvollerweise sollten die Vertragsparteien nach Beendigung der Behinderung neue Vertragsfristen vereinbaren.

 

2.4 Vertragsstrafe

 

Eine wirksam vereinbarte Vertragsstrafe bleibt bei einer unerheblichen Fristverlängerung bestehen. Die Frist zu ihrer Berechnung verlängert sich dann entsprechend.

 

Ist die Fristverlängerung aber so erheblich, dass es zu einer grundlegenden Neuordnung des Bauablaufs kommt, sind die vereinbarten Vertragsstrafentermine nicht mehr maßgeblich. Nach ständiger Rechtssprechung entfällt dann die Vertragsstrafe.

2.5 Mitwirkung des Auftraggebers

 

Eine Mitwirkungshandlung kann nur angenommen werden, wenn der Auftraggeber das Risiko zumutbar beeinflussen kann. Dass in der gegebenen Extremsituation der Auftraggeber weder Einfluss auf die Pandemie hat, noch behördlich angeordnete Quarantänen verhindern kann, liegt auf der Hand. Er gerät deswegen nicht in Annahmeverzug.

 

Grundsätzlich trägt der Auftraggeber auch das Vorleistungsrisiko. Baut der Auftragnehmer das als Folgeunternehmen auf die Leistung eines anderen Gewerkes auf, ist es erforderlich, dass der Auftraggeber dieses Gewerk überlässt.

 

Kommt es durch die Corona-Pandemie zu Verzögerungen von Vorleistungen, kann dem Auftraggeber dies im besonderen Fall nicht angelastet werden. Er kann das Risiko, dass ein Unternehmer durch höhere Gewalt ausfällt, nicht beeinflussen. Er trägt allerdings nur das zeitliche Risiko. In finanzieller Hinsicht sieht der Gesetzgeber in dieser Situation keine allgemeine Risikozuweisung zu Lasten des Auftraggebers vor. Es gilt im Allgemeinen der Grundsatz: Frist ja, Geld nein.

 

Zur Sicherung seiner Position sollte der Auftragnehmer die ihn betreffenden Behinderungen unbedingt anzeigen. Ob es dann neben der Bauzeitverzögerung auch noch einen finanziellen Anspruch gibt, hängt letztlich vom Einzelfall ab und darauf, ob den Auftraggeber ein Verschulden trifft.

 

2.6 Baustellentermine

 

Sagt der Auftraggeber oder dessen Vertreter (z. B. Architekt) bereits vereinbarte Termine, wie Baubesprechungen usw., wegen einer potentiellen Ansteckungsgefahr ab, fällt diese Absage grundsätzlich in den Risikobereich des Auftraggebers. Es ist dann aber zu prüfen, ob diese Absage durch behördliche Anordnungen/Leitlinien gedeckt ist oder aus reiner Vorsichtsmaßnahme geschieht.

 

In jedem Fall sollte der Auftragnehmer auch insoweit seine Behinderung anzeigen.

 

2.7 Kündigung

 

Bei der Kündigung aus wichtigem Grund muss der kündigenden Partei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beidseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur Fertigstellung des Werkes nicht zugemutet werden können. Ob eine solche Situation im Falle der vorliegenden Corona-Pandemie gegeben ist, ist stark zweifelhaft.

 

Eine Kündigung aus wichtigem Grund nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 VOB dürfte für den Auftragnehmer mangels Mitwirkungsverzug nicht durchgreifen. Kommt es zu Liquiditätsproblemen beim Auftraggeber, könnte jedoch eine Kündigung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 VOB in Betracht kommen. Auch insoweit kommt es aber auf den konkreten Einzelfall an.

 

Zweifelhaft ist, ob der Auftragnehmer für den Fall, dass wegen der Corona-Pandemie eine dreimonatige Unterbrechung der Baustelle erfolgt, nach § 6 Abs. 7 Satz 1 VOB/B, kündigen kann.

 

Nach den dargestellten allgemeinen Grundsätzen dürfte dies nicht zulässig sein, weil die Unterbrechung für den Auftraggeber „erzwungen“ ist. Eine Mitwirkungshandlung ist ihm nicht möglich.

 

Das freie Kündigungsrecht des Auftraggebers bleibt mit den entsprechenden Rechtsfolgen bestehen.

 

2.8 Verjährungsfragen

 

Für den Auftraggeber/Besteller kann die Corona-Krise die Hemmung der Verjährung zur Folge haben. War der Gläubiger innerhalb der letzten sechs Monate einer Verjährungsfrist wegen des Corona-Virus an der Rechtsverfolgung gehindert, kann dies ein Grund zur Hemmung der Verjährung nach § 206 BGB sein. Auch hier müsste das Virus als eine höhere Gewalt gewertet werden. Dies liegt nahe, weil es sich durchaus um ein außergewöhnliches Ereignis handelt, das nach dem derzeitigen Stand auch bei Anwendung der zu erwartenden Sorgfalt nicht verhütet werden kann. Jedenfalls ist eine schwere Krankheit als ein Grund zur Hemmung nach § 206 BGB anerkannt. Damit können sich die Auftraggeber bei der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen auf Hemmung wegen Vorliegens höherer Gewalt berufen.

 

Die Zahlungsverjährung, die regelmäßig erst mit dem Ende eines Jahres beginnt, dürfte davon nicht betroffen sein.

 

2.9 Sonstiges

 

Es ist davon auszugehen, dass von der Rechtsprechung alle Maßnahmen und Handlungen, mit denen eine vorteilhafte Ausnutzung der Situation versucht wird, rigoros unterbunden werden. Der Grundsatz von Treu und Glauben gilt uneingeschränkt.

 

Verständige Vertragsparteien bewerten die Baustellensituation zur gegebenen Zeit neu und vereinbaren neue Terminpläne.

 

2.10 Neuabschluss von Verträgen

 

Bei einem Neuabschluss von Verträgen ist große Vorsicht geboten.

 

Die für eine höhere Gewalt vorausgesetzte Unvorhersehbarkeit dürfte derzeit nicht mehr gegeben sein. Der Auftragnehmer muss also sicher sein, dass er in jedem Falle das, was er verspricht, auch leisten kann, sowohl in zeitlicher, personeller als auch technischer Hinsicht.

 

Lehrte, den 23.03.2020


 

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