Baurechtliche Texte

 

Rechtsanwalt

Dipl.-Ing. (Bau) Horst Fabisch

Barsinghausen/Hannover

info@baurechtscentrum.de

 

 

Text 02/2019 - Das Urteil des EuGH vom 04.07.2019 zur Ungültigkeit der Honorarmindestsätze in der HOAI

 

Einleitung

 

Der EuGH hat am 04.07.2019 die HOAI in Bezug auf die in ihr enthaltenen verbindlichen Honorare für EU-rechtswidrig erklärt. Eine Besprechung der Entscheidung finden Sie nachstehend im Anhang.

 

Überraschend ist das Urteil nicht. Vor einigen Jahren hat der EuGH bereits zu einer ähnlichen gesetzlichen Regelung in Österreich entsprechend entschieden.

 

Das Urteil des EuGH gilt nicht nur, wie man annehmen könnte, für grenzüberschreitende Architekten- und Ingenieurleistungen, sondern auch für inländische Verträge.

 

Mit der Entscheidung des EuGH hat die Bundesrepublik Deutschland die Pflicht, die Beachtung des Urteils sicherzustellen. Dies erfolgt regelmäßig durch die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt. Die Gerichte haben das Urteil in ihren Entscheidungen sofort zu berücksichtigen.

 

Auswirkungen auf die Praxis

 

Für die Praxis ist entscheidend, welche Auswirkungen die Entscheidung auf die bisherige Handhabung und Anwendung der HOAI in Bezug auf das Architekten /Ingenieurvertragsrecht hat.

 

1. In Bezug auf bestehende Vertragsbeziehungen ändert sich nichts. Die Verträge haben bis zu ihrer Abwicklung Gültigkeit. Den Architekten ist es nach der Entscheidung des EuGH aber nicht mehr möglich, sich auf eine Unterschreitung des Mindesthonorars zu berufen. Das Gleiche gilt für den Auftraggeber im Hinblick auf eine potentielle Mindestsatzüberschreitung.

 

2. Mit der Entscheidung des EuGH sind ausschließlich die zwingenden preisrechtlichen Regelungen der HOAI für unwirksam erklärt worden. Genauer gesagt: Die bisherige Verpflichtung, Honorare zwischen dem Mindestsatz und dem Höchstsatz zu vereinbaren, ist entfallen. Unterschreitungen sind nunmehr ebenso zulässig wie Überschreitungen. Wenn die Bundesarchitektenkammer insoweit von „lediglich geringfügigen“ Veränderungen spricht, ist das sicherlich untertrieben. Das gesamte „Zwangshonorargefüge“, ein wesentlicher Teil der HOAI, ist damit hinfällig geworden. Die Honorarordnung unterliegt nunmehr, wie alle anderen Verträge im Baubereich, der freien Disposition.

 

3. Es unterliegt zukünftig allein der Entscheidung der Vertragsparteien, ob sie die derzeitige HOAI in ihrer Gesamtheit als Vertragsgrundlage vereinbaren. Das muss dann ausdrücklich erfolgen. Es dürften insoweit die gleichen Grundsätze gelten, wie bei der Vereinbarung der VOB/B in Bauverträgen.

 

4. Die HOAI kann auch teilweise vereinbart werden. Bis auf die preisbezogenen Regeln behalten alle anderen Inhalte durchaus ihre Gültigkeit. Es ist sicherlich sinnvoll, zumindest die Leistungsbilder der HOAI weiterhin vertraglich beizubehalten. Sie stellen im übertragenden Sinne das Leistungsverzeichnis für die zu erbringenden Arbeiten dar.

 

Aussichten

 

Es ist davon auszugehen, dass sich die Vereinbarungen zu den Leistungen der Architekten und Ingenieure zukünftig stärker dem Werkvertrag annähern und im Wesentlichen wie in Bauverträgen behandelt werden.

 

1. In Bezug auf die Honorarvereinbarung in alten Verträgen kann es im Einzelfall zu Problemen kommen. Ein Auftraggeber könnte sich unter Umständen auf eine Störung der Geschäftsgrundlage berufen, wenn er begründen kann, dass er die Honorarvereinbarung nur akzeptiert hat, weil das Mindesthonorar gesetzlich vorgegeben war.

 

Es bleibt abzuwarten, wie die Gerichte mit diesen zu erwartenden Fällen umgehen. Juristisch sind bei solchen Ansprüchen erhebliche Hürden zu überwinden.

 

2. Die BAK, der VDI, die Kammern und Verbände wollen der Praxis einheitliche Empfehlungen an die Hand geben und an einer zukünftigen Honorarvereinbarung mitarbeiten.

 

Das wird sicherlich Jahre dauern. Ein Warten der Praxis auf solche Empfehlungen und Rügen ist nicht möglich. Die Änderungen müssen ab sofort in vertraglicher Form berücksichtigt werden.

 

Verträge

 

In neuen Verträgen ist ab sofort eine ausführliche Honorarvereinbarung zu treffen. Erfolgt dies nicht, kann im Sinne von § 632 BGB nur die taxmäßige Vergütung oder die ortsübliche Vergütung verlangt werden. Was taxmäßig oder ortsüblich ist, entscheidet im Zweifel ein Sachverständiger.

 

 

Anlage

 

Zu den Gründen des EuGH im Urteil vom 04.07.2019 (C-377/17)

 

Der EuGH hat über folgende Regeln in der HOAI geurteilt:

 

 

§ 1 HOAI:

 

Diese Verordnung regelt die Berechnung der Entgelte für die Grundleistungen der Architekten und Architektinnen und der Ingenieure und Ingenieurinnen (Auftragnehmer oder Auftragnehmerinnen) mit Sitz im Inland, soweit die Grundleistungen durch diese Verordnung erfasst und vom Inland aus erbracht werden.“

 

§ 3 HOAI:

 

(1) Die Honorare für Grundleistungen der Flächen-, Objekt- und Fachplanung sind in den Teilen 2 bis 4 dieser Verordnung verbindlich geregelt. Die Honorare für Beratungsleistungen der Anlage 1 sind nicht verbindlich geregelt.

 

(2) Grundleistungen, die zur ordnungsgemäßen Erfüllung eines Auftrags im All-gemeinen erforderlich sind, sind in Leistungsbildern erfasst. Die Leistungsbilder gliedern sich in Leistungsphasen gemäß den Regelungen in den Teilen 2 bis 4.

 

(3) Die Aufzählung der Besonderen Leistungen in dieser Verordnung und in den Leistungsbildern ihrer Anlagen ist nicht abschließend. Die Besonderen Leistungen können auch für Leistungsbilder und Leistungsphasen, denen sie nicht zugeordnet sind, vereinbart werden, soweit sie dort keine Grundleistungen darstellen. Die Honorare für Besondere Leistungen können frei vereinbart werden.

 

(4) Die Wirtschaftlichkeit der Leistung ist stets zu beachten.“

 

§ 7 HOAI:

 

(1) Das Honorar richtet sich nach der schriftlichen Vereinbarung, die die Vertragsparteien bei Auftragserteilung im Rahmen der durch diese Verordnung festgesetzten Mindest- und Höchstsätze treffen.

 

(2) Liegen die ermittelten anrechenbaren Kosten oder Flächen außerhalb der in den Honorartafeln dieser Verordnung festgelegten Honorarsätze, sind die Honorare frei vereinbar.

 

(3) Die in dieser Verordnung festgesetzten Mindestsätze können durch schriftliche Vereinbarung in Ausnahmefällen unterschritten werden.

 

(4) Die in dieser Verordnung festgesetzten Höchstsätze dürfen nur bei außergewöhnlichen oder ungewöhnlich lange dauernden Grundleistungen durch schriftliche Vereinbarung überschritten werden. Dabei bleiben Umstände, soweit sie bereits für die Einordnung in die Honorarzonen oder für die Einordnung in den Rahmen der Mindest- und Höchstsätze mitbestimmend gewesen sind, außer Betracht.“

 

Die Teile 2 bis 4 der HOAI, auf die in § 3 Abs. 1 dieser Verordnung Bezug genommen wird, enthalten genaue Bestimmungen über die Mindest- und Höchstsätze für die Flächen-, Objekt- und Fachplanung. Einige dieser Bestimmungen ermöglichen in Ausnahmefällen die Herabsetzung der Mindestsätze gemäß § 7 Abs. 3 HOAI.

 

§ 44 Abs. 7 HOAI:

 

Steht der Planungsaufwand für Ingenieurbauwerke mit großer Längenausdehnung, die unter gleichen baulichen Bedingungen errichtet werden, in einem Missverhältnis zum ermittelten Honorar, ist § 7 Absatz 3 anzuwenden.“

 

§ 52 Abs. 5 HOAI:

 

Steht der Planungsaufwand für Tragwerke bei Ingenieurbauwerken mit großer Längenausdehnung, die unter gleichen baulichen Bedingungen errichtet werden, in einem Missverhältnis zum ermittelten Honorar, ist § 7 Absatz 3 anzuwenden.“

 

§ 56 Abs. 6 HOAI:

 

Steht der Planungsaufwand für die Technische Ausrüstung von Ingenieurbauwerken mit großer Längenausdehnung, die unter gleichen baulichen Bedingungen errichtet werden, in einem Missverhältnis zum ermittelten Honorar, ist § 7 Absatz 3 anzuwenden.“

 

 

In der genannten Entscheidung stellt der Gerichtshof zunächst fest, dass das System der HOAI, Mindestsätze für Planungsleistungen festzulegen, nicht grundsätzlich unzulässig sei. Eine solche Regelung wäre möglich, wenn mit ihr das angestrebte Ziel einer qualitativ hochwertige Architekten- und Ingenieurleistung  in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen wäre(Rn. 89).

 

Das verfolgte Ziel der HOAI, eine solche hohe Qualität der Planungsleistung zu gewährleisten, kann nach Auffassung des EuGH hier aber nicht erreicht werden, weil die Erbringung von Planungsleistungen nicht nur Personen vorbehalten ist, die eine reglementierte Tätigkeit ausüben. Die Bundesrepublik hat in ihren prozessualen Schriftsätzen ausgeführt, dass Planungsleistungen nicht nur bestimmten Berufsständen vorbehalten seien, die einer zwingenden berufs- oder kammerrechtlichen Aufsicht unterliegen. Es können neben Architekten und Ingenieuren auch andere nicht reglementierte Dienstleistungsanbieter Planungsleistungen erbringen.

 

Mindestsätze könnten nur dann geeignet sein, die beabsichtigten Ziele zu erreichen, wenn für alle Planungsleistungserbringer qualifizierende Mindestgarantien gefordert würden.

 

Der Bundesrepublik sei es im Verfahren nicht gelungen, nachzuweisen, dass die HOAI mit ihren Mindestsätzen geeignet sei, das Ziel einer hohen Qualität der Planungsleistung zu gewährleisten und den Verbraucherschutz sicherzustellen.

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